Steuergelder investieren, Gewinne privatisieren?
PRORA (SAS). Ob Hochhaus oder Seebadtitel – Prora schafft es immer wieder in die Schlagzeilen. So wird es auch nach dem nächsten Dienstag, den 26. September 2017, sein. Denn da soll die Machbarkeitsstudie für einen Sportboothafens um 19.30 Uhr im Binzer „Haus des Gastes“ vorgestellt werden. Die Studie hat laut einer Pressemitteilung 104.720 Euro gekostet und wurde vom Land mit 78.540 Euro gefördert. Die Ostsee-Zeitung titelte am 13.09.2017 schon einmal vorab „Studie: „Ja“ zum Seglerhafen Prora“. Doch so einfach scheint die Sache dann doch nicht zu sein…
Demografischer Wandel auf dem Wasser
Denn die Studie selbst beginnt bereits mit der Nennung eines ersten Risikofaktors für das Projekt: Demografischer Wandel heißt es auch hier. Wie auf dem Land, so ist auch auf dem Wasser eine Überalterung festzustellen. Immerhin: Bereits heute ist der überwiegende Teil der Bootseigner über 50 Jahre. 40% sind sogar über 65 Jahre. So kann man sich selbst ausrechnen, dass schon bald 50.000 Segler ihren Sport nicht mehr ausüben werden. Die Studie selbst gibt zu bedenken, dass dies eine existenzielle Bedrohung für den Wassersport darstellt. Immerhin: Die Folgen dieser Entwicklung sind schon heute spürbar. Der Wassersportmarkt stagniert. Das hat zur Folge, dass sich auch der harte Wettbewerb zwischen den Standorten weiter verschärfen wird. Dem lässt sich zwar mit einem aufwendigen Ausbau von Sportboothäfen begegnen, doch dies geht logischerweise dann zu Lasten anderer Standorte.
Regionale Kannibalisierungseffekte
Auch bei dem Thema der Dauerliegeplätze kommt die Studie durchaus zu interessanten Ergebnissen. Die Studie: „Die landseitige Erreichbarkeit von Prora ist nicht ideal…“ Bei der Bedarfsprognose, geht man davon aus, dass mit dem Sportboothafen Prora 5 % der lokalen Boote auf Rügen hierhin umsiedeln würden, was in etwa 25 Booten entsprechen würde – so eine erste Prognose. Die gleiche Anzahl an Booten könnte, so die Annahme, durch überregionale Dauerlieger nachgefragt werden. In Summe geht es also in Prora höchstwahrscheinlich um einen Bedarf von 50 Dauerliegeplätzen. Die Auslegung der Kapazität folgt jedoch im Wesentlichen den saisonalen Bedürfnissen, was zur Folge hat, dass in der Nebensaison eine Überkapazität prognostiziert wird. Das bedeutet wiederum, dass – bei einem ermittelten Gesamtbedarf von etwa 250 Liegeplätzen (Sassnitz hat derzeit um die 120 Liegeplätze im Stadthafen), diese außerhalb der Saison zu 80 % verwaist sein werden. Für ein Aufhorchen könnte die Studie in Sassnitz auch aus einem anderen Grund sorgen, denn sie kommt auch zu dem Schluss, dass Prora „tendenziell als Liegeplatz für eine ortsansässige Berufsfischerei geeignet“ sein soll. Ob der Standort für Fahrgastschiffe relevant ist, bleibt abzuwarten. Die Anforderungen für einen Liegeplatz könnten aber auch hier erfüllt werden.
Mögliche Betriebsformen
Im Anschluss werden die verschiedenen Betriebsformen von Sportboothäfen thematisiert. Dabei kommt man in Bezug auf den Kommunalhafen zu der Einschätzung, dass dieser im Regelfall als öffentliche Einrichtung ohne Gewinnerzielungsabsicht geführt wird. Die Studie verrät auch, dass die Mehrzahl der kommunalen Häfen defizitär ist.
Im Gegensatz dazu steht der Private Hafen. Das Bestreben einer wirtschaftlichen Betreibung liegt natürlich in der Absicht Gewinne zu erzielen. Das kann aber auch bedeuten, dass die Investitionen nicht zwangsläufig privatwirtschaftlich sind – sprich: Die Gewinne werden privatisiert, die Kosten sozialisiert (sie gehen also zu Lasten der Steuerzahler). Das Modell dafür kann eine „Partnerschaft“ sein. Der Hafen ist zwar Gemeindeeigentum, wird aber privat bewirtschaftet.
Alternativ gibt es auch noch die Vereinshäfen. Diese haben allerdings im Regelfall weniger als 100 Liegeplätze und ihre Betreiber – die Vereine – sind gemeinnützig tätig. Dennoch stellen sie – lt. einer Untersuchung des Bundesverbandes für Wassersportwirtschaft – mit 59% die übliche Betreiberform von Sportboothäfen, während nur 29% privatwirtschaftlich und 12 % als kommunaler Hafen betrieben werden.
Die Ausgangsbedingung für Prora
Die Fläche, auf der ein „Sportboothafen Prora“ entstehen soll, ist privat. Der Eigentümer ist auch gleichzeitig Investor eines Immobilienvorhabens. Er hat somit ein Eigeninteresse an einer Attraktivitätssteigerung. Doch die Investitionskosten sind hoch. Deshalb wäre der Optimalfall, dass die Gemeinde Binz als Investor auftritt. So ließe sich eine 90%ige Förderung als Wasserwanderrastplatz durch eine Zuwendung von Steuermitteln erzielen. Die landseitige Entwicklung, die durch die Investition an Attraktivität und Nachfrage gewinnt, soll hingegen den privaten Investoren überlassen werden. Gleiches gilt für die Betreibung der Marina. Auch hier wird ein privater Hafenbetreiber favorisiert. Die Gewinne würden – so der Eindruck der beim Leser der Studie bleibt – privatisiert während die Investition und die Anbindung der Infrastruktur sozialisiert – also durch Steuergelder bezahlt – werden. Am Ende der Betrachtung stellt man sich bereits die Frage: Wem nützt es? Und man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass hier der Grundstückseigentümer keine schlechte Position hat…
Die Hindernisse
Die Studie hat zumindest Kenntnis davon genommen, dass es sich bei der Kaianlage um ein Einzeldenkmal der Landesdenkmalliste handelt. Damit steht es unter Denkmalschutz. Zudem liegen die angedachten Planungsflächen mitten im Landschaftsschutzgebiet Ostrügen. Auch grenzt die Fläche an ein FFH-Schutzgebiet, wird von einem EU-Vogelschutzgebiet tangiert und im Bereich der Küstendüne befindet sich sogar geschützte Fauna von europäischer Bedeutung. Der Bewuchs – u.a. auch Wald – befindet sich innerhalb des Küstenbereichs, was der Errichtung baulicher Anlagen zusätzlich entgegenstehen müsste.
Die Umsetzung
Vorausgesetzt, die Hindernisse sind überwindbar, dann würden für die Umsetzung mehrere Planungsvarianten möglich sein. Dazu gehört sowohl eine seeseitige Marina, vor der historischen Kaianlage gelegen, und auch eine landseitige Marina, die sich hinter der historischen Kaimauer – landseitig – befinden würde.
Bei der seeseitigen Marina liegt der Vorteil in einer bereits vorhandenen Tiefe von über 2 m. Das Problem, dass enorme Kosten nach sich ziehen könnte, liegt hier – lt. Studie – in der Tatsache, dass die Wellenbrecher ein enormes Schüttvolumen voraussetzen, da die Wassertiefe in etwa bei 3,50 Metern liegt.
Bei der landseitigen Marina ergibt sich ein Baugrubenaushub für eine Fläche von 40.000 m2. Bedingt durch den Wasserspiegel befindet sich die eigentliche Hafenanlage sogar in einer Tiefenlage – 3,50 m unterhalb des eigentlichen Höhenniveaus des umliegenden Geländes! Zudem soll die historische Kaimauer auf 20 Meter Breite „geöffnet“ werden. Außerdem wäre eine Sicherung durch verschließbare Tore notwendig, da die Hafen- und Flaniermeile etwa 1,30 Meter über dem Normalwasserstand liegen soll.
Eine weitere Variante baut im Wesentlichen auf die zweite Variante auf. Jedoch ist u.a. die Wasserfläche sogar 60.000 m2 groß. Ihre Form ist nicht rechteckig, sondern geschwungen dynamisch.
Am Ende favorisiert die Studie die Variante 2, die eine „Öffnung“ des Einzeldenkmals auf 20 Metern (bei einer Wassertiefe im Durchstich von 3,50 Metern) als auch den landseitigen Flächenverbrauch zu Lasten der Natur der Schutzgebiete vorsieht. Das Problem, dass sich außerdem ergibt, liegt – lt. Studie – bei der schnellen Versandung des Durchstichs. Wechselwirkungen – also Beeinflussung der benachbarten Küstenbereiche – beispielsweise in Binz – kann nicht ausgeschlossen werden. Denkbar wäre so beispielsweise ein Küstenrückgang. Um die Unterhaltungsbaggerungen verträglich zu gestalten, würde auch der Bau eines Molenbauwerkes (über dessen Größe noch keine Klarheit besteht) notwendig werden, weil ansonsten keine ausreichende Funktion der Marina im Zufahrtsbereich gewährleistet werden kann.
Die geschätzten Kosten
Derzeit wird das Kostenvolumen für die favorisierte Variante auf etwa 23 Mio. Euro geschätzt, wobei die Investition in die Sanierung der Kaianlage noch keine Berücksichtigung fand. Auch ist mit Umweltschutzauflagen zu rechnen, die angedachte Gestaltungsmöglichkeiten landseitig einschränken könnten. So kommt die Studie letztlich zu dem Ergebnis: „…dass ein Sportboothafen aus dem reinen Hafenbetrieb nicht finanziert werden kann.“ Ohne, dass Steuergelder in den Sportboothafen fließen, gilt das Projekt als nicht realisierbar.
Wer die Studie liest und die Probleme unseres Landes kennt, stellt sich – bei allem Respekt für eine touristische Vision – gleich mehrere Fragen: Gibt es hier ein Luxus-Problem? Was macht einen Sportboothafen so zwingend notwendig? Wäre das Geld – zumal es sich um Steuergeld handelt – nicht bei der Modernisierung von Bildungseinrichtungen – um nur ein Thema zu nennen – besser angelegt?
Quelle: Inselreport.de
Verhindert diesen Unfug.Falls Denkmal-und Naturschutz tatsächlich mitspielen,wird sich Binz finanziell voellig verheben.Schon das Freihalten der Fahrrinne ist fuer Binz unfinanzierbar! (siehe Darsser Nothafen)